Nur wenig ist von der multireligiösen Kultur der Bodenseeregion zur Konzilzeit noch zu sehen und die Vorstellungen sind oftmals von Verzerrungen der Geschichte geprägt. Anders als häufig angenommen, lebten die Juden nicht in Ghettos am Stadtrand, sondern Haus an Haus mit christlichen Nachbarn. Mehrere jüdische Haushalte in unmittelbarer Nachbarschaft hatten in der Regel religiöse Gründe und waren nicht auf Vorschriften von außen zurückzuführen. So gilt am Shabbat zum Beispiel ein eingeschränkter Bewegungsradius, der einen Besuch weiter entfernt gelegener Nachbarn oder der Synagoge schwierig bis unmöglich machen würde.

Zur Konzilzeit lebten bereits seit mindestens 200 Jahren Juden und Christen gemeinsam in Konstanz. Genaue Zahlen sind uns nicht bekannt, Schätzungen zufolge waren ein bis zwei Prozent der Bevölkerung jüdischen Glaubens. Für die Konzilzeit bedeutet dies, dass bei circa 6.000 Einwohnern von 60 bis 120 jüdischen Bewohnern ausgegangen werden kann. Da nur finanziell gut gestellten Juden der Zuzug gestattet wurde, gehörten die Juden der Stadt keineswegs zum armen Teil der Bevölkerung. Sie übten Berufe aus wie Bankier, Händler oder Arzt. Zudem mussten in einer funktionierenden jüdischen Gemeinde verschiedene Tätigkeiten ausgeübt werden, wie z.B. Metzger, Winzer, Lehrer oder Schreiber der Heiligen Schrift. Zu den Reichen der Stadt gehörten Juden nicht – dies waren stets christliche Familien.

Das Konzil selbst brachte den Konstanzer Juden, anders als den Christen, nur wenig wirtschaftlichen Ertrag. Wichtig war es dennoch für sie, denn der in Konstanz neu gewählte Papst Martin V. bestätigte ihre Privilegien. Ulrich Richental berichtet in seiner Chronik, wie die Juden am 11. November 1417 gleich nach der Wahl des Papstes vor dem Haus zum Schlegel auf ihn warteten. Dabei trugen sie eine Thorarolle und weitere verzierte Gegenstände auf golddurchwirkten Kissen vor sich her.

Was genau die erbetenen Privilegien beinhalteten, wissen wir nicht. Es ist anzunehmen, dass die Juden der Bodenseestädte in ihrer rechtlichen Position, wenn sie denn Bürger der Städte waren, derjenigen der christlichen Bürger recht ähnlich waren. Im Gegenzug dafür zahlten sie in der Regel eine Steuer, und diese war für den ewig finanziell prekären König Sigismund durchaus interessant...
Um etwa 1450 endete das jüdisch-christliche Zusammenleben in Konstanz, als die Juden aus der Stadt vertrieben wurden. Während es nach den verheerenden Pestpogromen gegen Juden 1348 eine erneute Ansiedlung gegeben hatte, sollte die Vertreibung Mitte des 15. Jahrhunderts für eine lange Zeit das Ende jüdischer Präsenz in Konstanz bedeuten. Ihre Häuser und Besitztümer wurden von den christlichen Bewohnern angeeignet, religiöse Stätten, wie die Synagoge, zerstört. Welche Spuren heute trotzdem noch zu finden sind, erfahren Sie in der neuen Ausstellung "Zu Gast bei Juden" ab 08. April im Archäologischen Landesmuseum. Näheres auf Seite 2 dieses Newsletters!

 

Bilder:
links: Die Konstanzer Juden warten auf den neugewählten Papst © Rosgartenmuseum
rechts: Juden und Christen lebten in den Konstanzer Gassen oft Haus an Haus. © Gerhard Giebener / pixelio.de